Archiv für den Monat: August 2014

21. Oktober 1979

Im August 1979 schrieb Otti B., eine Rechtsanwältin aus West-Berlin, meiner Großmutter von ihren Reiseplänen in die DDR. Es war unklar, wann und ob sie die Reise antreten wird. In folgendem Briefauszug erzählt Otti B. von der Reise.

Unsere Reise ist gut verlaufen. Wegen der Teilnehmer hatte ich sie aber falsch unterrichtet. Im Laufe der Zeit lernte man sich näher kennen und erst da erfuhr ich dann genau, wo die Einzelnen herkamen. 1 Ehepaar aus Florida, 1 Ehepaar aus New York, 1 Ehepaar aus der Nähe der Niagarafälle, 1 junger Mann v. Missouri, 1 amerikanisches älteres Ehepaar, wo ich nich weiss, woher genau, 1 Schweizer Ehepaar, 1 Ehepaar aus Holland von Groningen, 1 Dame aus Belgien, 1 Dame aus Köln, die mit Pkw war und immer hinter unserem Bus herfahren musste, womit sie es sehr schwer hatte, 1 Ehepaar aus Bayern, mir nicht bekannt, aus welchem Ort und wir aus Berlin-West. Es war eine nette Reisegesellschaft. Die Stuttgarter setzten sich immer zu uns beim Essen, weil meist Tische zu 4 Personen waren, ansonsten waren mir die Amerikaner besonders sympathisch, darunter vor allem auch das jüngere Ehepaar aus der Gegend der Niagarafälle und das ältere holländische Ehepaar. Keiner fiel aus dem Rahmen, also wirklich alles sehr nett. Untergebracht waren wir überall gut. Zu sehen gab es viel zu viel. Wir besichtigten ja nur historische Denkwürdigkeiten und da gibt es doch sehr viel. Besonders Weimar, Erfurt und Eisenach haben uns recht gut gefallen. Es war aber so viel zu besichtigen, dass man am Ende wirklich sagen konnte, es war genug. Für die vielen Dinge hätte man eben mehr Zeit gebraucht. Es war auch durchaus nicht, wie mein Mann meinte, eine geruhsame Reise. Schon dadurch, dass man ständig in einem anderen Hotel nächtigte, ergab sich doch die dauernde Packerei. Obwohl ich ein Reiseonkel – besser gesagt eine Reisetante bin, bin ich doch nicht dafür, immer in einem anderen Hotel zu übernachten. Das ist doch bei den Schiffsreisen so schön, dass man sein „Hotel“ immer mitnimmt. Jedenfalls haben wir die Reise nicht bereut, es war alles interessant und schön.

29. August 1979

Otti B., eine Rechtsanwältin aus West-Berlin, scheint eine Bekannte meiner Großmutter zu sein, die sie in den 60er Jahren in Karlsbad auf einer Kur kennengelernt hat. In folgendem Briefauszug teilt sie meiner Großmutter ihre Reisepläne in die DDR mit.

Mein heutiges Schreiben hat einen besonderen Grund. Ich wollte mit meinem Mann Ende September/Anfang Oktober eine Woche wegfahren, und zwar eine kleine Bus-Rundreise machen, weil das für meinen Mann am bequemsten ist. Leider haben aber alle Bus-Rundfahrten ihr Ende bereits Mitte September. Einige spätere sind Flugreisen oder Fahrten in zu weit entlegene Gebiete, z.B. Ungarn oder Gardasee. So wollte mein Mann eine Rundreise in die DDR bevorzugen. Zwei Reisen wären noch in Westdeutschland in Frage gekommen (so überhaupt noch Plätze frei sind), wo wir aber die Gegenden zu genau kennen, weil wir schon oft da waren. Nun haben wir uns wegen der DDR-Reisen erkundigt. Sie werden zwar immer inseriert, aber wenn man dann fahren will, ist es doch sehr schwierig. Zweimal sind wir nun schon reingefallen und ich glaube nicht daran, dass es diesmal klappt. Jeden Montag findet da z.B. eine 7-tätige Rundreise in die DDR statt, die in Ost-Berlin abgeht mit einem DDR-Bus. Man muss also nach Ost-Berlin anreisen und dort ist Treffpunkt. Der letzte Montag im September ist der 24.9. Für diesen Tag haben wir angemeldet. Ob aber die Reise stattfindet, konnte man hier nicht sagen, weil die DDR-Reisen nur bis Ende September gehen und vorgenannte Reise würde erst am 1.10. auslaufen. Da man 6 Wochen vorher anmelden soll, ist es auch darum fraglich, weil wir erst vor 2 Tagen angemeldet haben, also 4 Wochen vorher. Die Reise würde wie folgt erfolgen: Treffen in Ost-Berlin 1. Übernachtung in Ost-Berlin. Vorher Stadtrundfahrt und Pergamon-Museum. 2. Tag Fahrt nach Dresden mit Besichtigungen. Weiter nach Meissen mit Übernachtung. Weiter nach Leipzig mit Übernachtungen. Von da nach Weimar mit Übernachtung. Von dort nach Erfurt und Eisenach und zurück nach Weimar mit Übernachtung. Weiter nach Potsdam mit Übernachtung und von da wieder nach Ost-Berlin. Einen Prospekt gab es nicht mehr, da restlos vergriffen, außerdem ist ja Ende der Saison. So kennen wir auch nicht die Hotels in denen übernachtet wird. Wenn das alles diesmal klappen sollte – woran ich zweifle – müssten wir am 26.9. in Leipzig sein. Da das Hotel sicher in der Nähe des Bahnhofs ist und der Abend sicher ohne Programm sein wird, könnten wir also zu Ihnen kommen, so Sie in Leipzig gerade anwesend sein würden. Ich bitte Sie also nur darum, falls Sie gerade in Leipzig sein sollten, sich vielleicht am Abend zu Hause aufzuhalten, damit wir Sie antreffen würden. Es könnte auch sein, dass uns der 17.9. als Ersatz angeboten würde, dann kämen wir bereits am 19.9. nach Leipzig. Vielleicht wird uns aber auch eine kürzere Reise angeboten, in der Leipzig gar nicht enthalten ist. Darum bitte ich Sie, keinerlei Rücksicht zu nehmen. Es wäre lediglich schade, wenn wir in Leipzig wären und Sie wüssten nichts von uns und wären nicht zu Hause; denn gern würden wir Sie natürlich wiedersehen. Von Ihrem Gatten wage ich gar nicht erst zu sprechen, weil er vielleicht zu der Zeit noch in B. die Stellung hält. Ich weiss nicht, was wird und wie sich alles gestaltet, mein Mann möchte gern mal Weimar sehen, auch nach Meissen wollte er gern lange schon mal und er meint, diese kleinen Strecken, die täglich gefahren werden, könne er am besten verkraften. Das mag sein, Frage ist nur, wie er die Besichtigungen verkraftet. Nun, vielleicht höre ich bis dahin noch von Ihnen. Für heute will ich Schluss machen. Ich bin neugierig, ob es diesmal mit der DDR-Reise klappen wird. Meine Cousine aus Wiesbaden hat im vorigen Jahre so eine 5-Tage-Bus-Reise ab Wiesbaden in die DDR gemacht und war begeistert. Es wäre sehr schön gewesen und Unterbringung und Essen gut und alles interessant.

Herzlichste Grüße Ihnen und Ihrem Gatten

Ihre Otti B.

Gleichfalls grüsst herzlich mein Mann, der gerade Maulwurf spielt.

15. Mai 1994

Meine Großmutter schreibt Judith, einer Bekannten, dass sie den Sommer im Häuschen verbringen wird. Mein Bruder war einige Tage zuvor bei ihr und hat ihre Wohnung gestrichen. Sie ist etwas betrübt über seine Situation, da er keine Arbeit hat und etwas hilflos in den Seilen hängt. Er fährt häufig noch nach Polen, an seinen ehemaligen Studienort und besucht dort seine kolumbianische Freundin. Mit der bevorstehenden Hochzeit der beiden versucht sie sich gedanklich anzufreunden. Sie erzählt über Leipzig, ihren Wohnort und wieviel derzeit gebaut wird und dass das Pflaster zu Kaiserzeiten besser war (da hat sie natürlich noch nicht in Leipzig gewohnt). Empört widmet sie eine halbe DIN-A4-Seite Trabalski und Dr. Schneider. Wie solche „Wundermänner“, „Alleskenner“, „Millionen-Schöpfer“ (vielleicht meint sie „Schröpfer“) ihr Geld bei Banken ergaunern und sich später in Luft auflösen. Sie erwähnt häufig Gott (er wird vermutlich in jedem weiteren Brief einen tragende Rolle spielen) und dass man ihm danken muss, wenn die Menschen Arbeit haben. Es beruhigt sie, dass mein Vater und meine Tante Arbeit haben, auch wenn die beiden deswegen sehr wenig Zeit für sie haben. Sie ist ein wenig beunruhigt, ob sie auf Dauer alles wird alleine schaffen können und fügt sofort hinzu, auf keinen Fall in einem Altersheim landen zu wollen, die Einsamkeit sei ihr lieber.

Meine Anmerkung: Danke für diesen guten Morgen.